Wenn das Spiel Rot-Weiss Essen gegen Rot-Weiß Oberhausen ansteht, dann denken viele Fans an die spannenden Duelle dieser beiden Nachbarn gerne zurück. Zu einer dieser legendären Partien gehört zweifelsohne das Match am 15. April 2005. Als sich RWE und RWO vor 19.000 Zuschauern im altehrwürdigen Georg-Melches Stadion 2:2-Remis trennten.
RevierSport hat mit einem Zeitzeugen von damals, Ali Bilgin (39), gesprochen.
Ali Bilgin, wo erreichen wir Sie eigentlich?
"Ich bin in der Türkei, in Istanbul. Seit Jahren pendele ich zwischen Istanbul und Düsseldorf. Ich bin natürlich auch oft in Essen. Aber unser Lebensmittelpunkt ist Istanbul und geschäftlich habe ich einiges in Düsseldorf zu tun."
Womit beschäftigen Sie sich denn?
"Ich habe die B-Lizenz im Trainerbereich gemacht und musste während Corona dann eine Pause einlegen. Eigentlich habe ich vor, mich als Trainer weiterzubilden und weitere Lizenzen zu sammeln. Mal schauen, was sich dann in diesem Bereich ergibt. Während Corona habe ich mir ein Geschäft mit Cupcakes aufgebaut, beziehungsweise die Firma sugarbird-cupcakes.de übernommen. Ich habe ein Team von zehn, elf Mitarbeitern, inklusive vier Azubis und wir bieten alles mögliche in dem Süßwaren-Bereich für Cafés, Hotels, Feierlichkeiten jeder Art an und betreiben auch ein Geschäft vor Ort in Düsseldorf. Zudem bieten wir Workshops für interessierte Damen und Herren an. Vielleicht wollen ja auch einige RWE-Fans ihren Liebsten einen Gutschein schenken und einen dieser Workshops buchen. Das ist echt eine süße Sache - im wahrsten Sinne des Wortes (lacht)."
Stichwort: Rot-Weiss Essen. Welche Erinnerungen und Verbindungen haben Sie noch zu RWE?
"Durch Corona ist alles distanzierter geworden. Aber jetzt wird ja alles wieder geöffnet - auch die Stadien. Ich werde mich demnächst mal wieder an der Hafenstraße blicken lassen. Vor Corona habe ich in Rüttenscheid mit RWE-Aufsichtsratschef André Helf einen Kaffee getrunken und war auch mit Marcus Uhlig im Kontakt. Ich verfolge den Verein sehr, sehr interessiert. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht mal auf reviersport.de vorbeischaue und die Lage rund um RWE durchstöbere. Ich muss an dieser Stelle mal sagen, dass ich auch ein großer RevierSport-Fan bin. Für mich, noch im Ausland lebend, ist es die RWE-Informationsquelle."
Und welche Erinnerungen haben Sie an Ihre aktive Zeit in Essen?
"Bis auf den Abstieg ausschließlich wunderschöne. Wir sind ja auch zweimal aufgestiegen. Ich habe mir bei Rot-Weiss einfach einen Traum erfüllt. Das Fußballspiel habe ich bei den Ballfreunden Bergeborbeck erlernt. Aber ab der D-Jugend war ich schon bei RWE. Ich erinnere mich noch, als wir uns in der Jugend hinter dem Georg-Melches Stadion umgezogen haben und auf die Ascheplätze verteilt wurden. Nach dem Duschen ging es dann mit der Tasche immer am Stadion vorbei. Ich habe mir geschworen: 'Irgendwann werde ich vor diesen wahnsinnigen Fans auflaufen.' Und ich habe es geschafft. Darauf bin ich stolz und immer noch glücklich, wenn ich zurückschaue."
Die Stimmung war unfassbar, das Stadion ist explodiert. Das war vergleichbar mit der Atmosphäre später bei meinen Stationen in der Türkei. Das RWE-Publikum, die Hafenstraße, das Georg-Melches Stadion hatten es schon richtig drauf, wie man für Alarm sorgt.
Ali Bilgin über das 4:4 gegen Frankfurt am 1. Oktober 2004
Welche Spiele werden Sie nie vergessen?
"Da gibt es viele. Aber klar: ein 4:4 gegen Eintracht Frankfurt bleibt hängen. Da habe ich auch zwei Tore erzielt. Die Stimmung war unfassbar, das Stadion ist explodiert. Das war vergleichbar mit der Atmosphäre später bei meinen Stationen in der Türkei. Das RWE-Publikum, die Hafenstraße, das Georg-Melches Stadion hatten es schon richtig drauf, wie man für Alarm sorgt. Das war ja das Besondere an RWE: diese Atmosphäre. Manchmal vermisse ich das alles, ich würde das gerne nochmal aufsaugen. Es war eine rundum tolle Zeit."
2005 gab es ein 2:2 gegen Rot-Weiß Oberhausen und Erwin Koens Doppelpack...
"Ja, das war auch ein tolles Spiel. Auch wenn ich sagen muss, dass RWE eigentlich Revierderbys gegen den MSV Duisburg, VfL Bochum oder gar Schalke und Dortmund verdient hätte. RWO ist etwas kleiner und mit weniger Fans. Aber klar: seit 13 Jahren steckt Essen in dieser Regionalliga fest, da hat sich für RWE das Oberhausen-Spiel als Revierderby entwickelt."
Am Samstag kommt es wieder zu diesem Spiel. Was tippen und wie schätzen Sie die aktuelle Lage von Rot-Weiss Essen ein?
"Seit zwei Jahren geht es in die richtige Richtung bei Rot-Weiss. Ruhig und konstant wird da am Erfolg gearbeitet. In der letzten Saison hätte es fast schon geklappt. Ich drücke die Daumen, dass RWE das in dieser Saison bis zum Ende durchzieht. Aber klar: es sind noch 30 Spiele zu absolvieren. Mit einem Sieg gegen RWO, von dem ich ausgehe, könnte man aber ein Ausrufezeichen setzen und für die nächsten Wochen von Platz eins die Konkurrenz unter Druck setzen."
Glauben Sie, dass Sie RWE noch in der 2. Bundesliga oder gar der Bundesliga erleben werden?
"Auf jeden Fall! Wie gesagt: Essen ist meine Heimat und ich werde immer mit RWE fiebern. Sie sind auf dem richtigen Weg. Sie haben eine gute Mannschaft. Nun aber auch scheinbar das nötige Kleingeld, das man eben auch braucht. Und die Fans, das Stadion, das ist sowieso alles auf dem höchsten Level."
Wenn Sie sich in der Türkei mit Ihren Freunden über Fußball unterhalten, kennen diese dann überhaupt Rot-Weiss Essen?
"Klar ist doch, dass im Ausland nur die Bundesliga wahrgenommen wird. Da brauchen wir uns nichts vorzumachen. Ich interessiere mich ja auch nicht für die Serie B oder zweite spanische Liga - ganz zu Schweigen von der 3. oder 4. Spielklasse. Aber: Rot-Weiss Essen ist durchaus vielen Fußballfans ein Begriff, weil der Name in den letzten Jahren in den türkischen Medien bei diversen Wechseln immer wieder gefallen ist. Da waren Spieler dabei wie Serkan Calik, Volkan Arslan, Tuncay Aksoy, Baris Özbek, Mesut Özil, Ahmed Kutucu oder Ali Bilgin (lacht)."